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Wichtige Unterschiede zwischen der Weimarer Reichsverfassung und dem Grundgesetz

Die Weimarer Reichsverfassung (WRV) genannte „Verfassung des Deutschen Reichs“ vom 11. August 1919 ist mit ihrer Verkündung am 14. August 1919 in Kraft getreten. Sie wurde niemals ausdrücklich außer Kraft gesetzt, verlor jedoch ihre Geltung im Jahre 1933. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) vom 23. Mai 1949 ist in wesentlichen Teilen eine „Antwort auf den Nationalsozialismus. Der Aufstieg von Adolf Hitler war zumindest zum Teil auch auf die politische Instabilität der Weimarer Republik sowie die starke Stellung der Exekutive (vollziehende Gewalt) in der WRV rückführbar. Viele Vorschriften, die das heutige GG vorsieht, können daher als eine bewusste Ausbesserung der in der WRV enthaltenen Schwächen verstanden werden.

Einer der Unterschiede zwischen der WRV und dem GG lag darin, dass die Weimarer Republik zwar, wie zuvor das Kaiserreich und auch die heutige Bundesrepublik, als ein föderaler Bundesstaat ausgestaltet war, dem Land Preußen allerdings eine gewisse Vormachtstellung zukam. Es herrschte daher ein sog. asymmetrischer Föderalismus. Die Weimarer Republik wird daher auch als unitaristischer Bundestaat bezeichnet.

Die Organe der WRV waren der Reichstag, der Reichspräsident, die Reichsregierung, der Staatsgerichtshof und der Reichsrat.

Wie der Bundestag heute war der Reichstag der primäre Gesetzgeber (Art. 68 WRV). Ihm oblag die Kontrolle der Regierung (Art. 54 WRV) und die des Reichspräsidenten (Art. 43 Abs. 2 WRV).

Die Reichsregierung bestand aus dem Reichskanzler und den Reichsministern. Die WRV kannte bereits die Richtlinienkompetenz des Kanzlers (Art. 56 WRV). Die Reichsregierung konnte durch ein sog. destruktives Misstrauensvotum abgewählt werden. Das heutige GG sieht hingegen in Art. 67 GG nur ein sog. konstruktives Misstrauensvotum vor. Die Regelung in der WRV führte dazu, dass zwischen der Regierung und dem Präsidenten eine Art „Kooperationsverhältnis“ entstand. Der Reichspräsident konnte den Reichstag auflösen und dann über ein umfangreiches Notverordnungsrecht die Vorhaben der Regierung umsetzen. Dies bezeichnet man auch als sog. „Präsidialkabinette“.

Das Verfassungsgericht der ersten deutschen Republik war der Staatsgerichtshof (Art. 19, 108, 172 WRV). Dieser hatte seinen Sitz beim RG in Leipzig und war zuständig für staatsorganisationsrechtliche Streitigkeiten. Eine Verfassungsbeschwerde wie heute nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG kannte die WRV nicht.

Der Reichsrat stellte die Ländervertretung dar, ähnlich wie heute der Bundesrat. Er konnte zu Regierungsvorlagen Stellung nehmen (Art. 69 WRV) und hatte auch ein Gesetzgebungsinitiativrecht (Art. 69 Abs. 2 WRV). Sein Einspruch gegen Gesetzesbeschlüsse des Reichstages hatte aber nur aufschiebende Wirkung (Art. 74 WRV), Verfassungsänderungsbeschlüsse konnte er lediglich einem Volksentscheid zuführen (Art. 76 Abs. 2 WRV).

Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem GG und der WRV liegt in der Stellung des Reichspräsidenten. Der Reichspräsident in der WRV hatte eine besonders starke Stellung und wurde auch als „Ersatzkaiser“ bezeichnet. Seine Befugnisse waren in den Art. 45-49 WRV geregelt. Der Reichspräsident hatte u.a. nach Art. 25 WRV das Recht, den Reichstag aufzulösen. Da eine Neuwahl erst nach 60 Tagen stattfinden musste, sah Art. 48 Abs. 2 WRV vor, dass der Reichspräsident mithilfe von Notverordnungen regieren konnte. Er konnte so als eine Art „Diktator auf Zeit“ gesetzgeberisch tätig werden. Reichspräsidenten waren während der Zeit der Weimarer Republik Ebert und Hindenburg.

Ein bedeutender Unterscheid liegt ferner darin, dass die WRV keine Ewigkeitsgarantie kannte, wie sie in Art. 79 Abs. 3 GG enthalten ist. Dies ermöglichte die spätere Aushöhlung der Grundsätze der WRV durch die Nationalsozialisten. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass eine Verbotsmöglichkeit für Parteien erst 1922 eingefügt wurde. (Zum Parteiverbotsverfahren im GG gibt es bereits einen Beitrag.)

Anders als der heutige Bundestag, gab es im Reichstag keine 5%-Hürde. Dies führte zu einer starken Zersplitterung des Parlaments.

Wichtig ist darüber hinaus auch der Unterschied im Hinblick auf die Grundrechte. Der Grundrechtsteil in der WRV war in den Art. 109 ff. WRV enthalten und hatte lange keine so wichtige Bedeutung wie die Art. 1 ff. GG. Die Grundrechte der WRV lediglich Programmsätze und auch nicht mit einer Verfassungsbeschwerde durchsetzbar (s.o.). Hitler hob die Grundrechte der WRV in den ersten Monaten seiner Amtszeit sukzessive auf. Dies geschah insbesondere durch die sog. ReichstagsbrandVO vom 28.02.1933.

Das Ermächtigungsgesetz (24.03.1933) führte zwar nicht zu einer formellen Aufhebung der WRV, allerdings wurden die Kräfteverhältnisse dadurch stark verschoben. Die Regierung erlangte eine erhebliche Machtstellung, wohingegen das Parlament weitestgehend entmachtet wurde. Mit dem Tode Hindenburgs wurde das Amt des Reichspräsidenten mit dem des Reichskanzlers vereinigt, sodass Hitler nunmehr beide Ämter inne hatte.

Quellen: Lewinski, JuS 2009, 505 ff.; Hufen, Staatsrecht II, 4. Auflage 2014, § 2 Rn. 16; Pötters/Werkmeister, Basiswissen Jura für die mündlichen Prüfungen. 7. Auflage 2019, S. 11 ff.

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